Pfarradministrator Karl Wolf reiste im Februar auf die Philippinen. Das Leben für die Menschen dort ist mit vielen Herausforderungen verbunden. Im Interview erzählt er von seinen Eindrücken.
Zu Besuch bei Freunden
Die Philippinen sind ja für uns nicht ein klassisches Reiseland. Wie kamen Sie auf die Idee, einen Teil Ihrer Sabbatzeit dort zu verbringen?
Sie hat ihren Ursprung in einem Besuch von Clavel Rudatis und Pater Roger Fuentes vor viereinhalb Jahren. Clavel Rudatis ist die Leiterin einer philippinischen Gruppe, welche sich nach dem Märtyrer Pedro Calungsod benannt hat. Als die beiden an einem Sonntagnachmittag durch den Garten zum Pfarrhaus kamen, um mir ihre Not und eine Frage vorzutragen, war das der Anfang einer vertrauensvollen Beziehung. Monsignore Padilla, der päpstliche Nuntius in Tansania, den ich aus Afrika kannte, hatte den Kontakt vermittelt. Erst einmal tranken wir einen Kaffee miteinander. Sie suchten für die Gruppe aus der philippinischen Mission eine Kirche, wo sie sich treffen konnten. Sie haben mich gefragt, ob ich diese Gruppe unterstützen könnte, die sich um einen eben heiliggesprochenen jungen Märtyrer aus den Philippinen, Pedro Calungsod, gebildet hatte.
Heute treffen sie sich in Sankt Agnes ein bis zweimal im Monat als Gemeinschaft zu Exerzitien und zum Gottesdienst. Seither sind sie wirklich schon ein Teil unserer Gemeinde in Erlenbach geworden. Vielen von uns sind ihre warme und freundliche Art und ihre Hilfsbereitschaft, ihre neuen Lieder im Gottesdienst, aber auch ihr wunderbares Essen bei pfarreilichen Veranstaltungen, zum Beispiel am Sonntag der Weltmission, ein Begriff. Gerade wegen dieser Hilfsbereitschaft und der offenen Art der Menschen, die ich kennen lerne durfte, wollte ich das Land mal noch bereisen.
Anlässlich des Eucharistischen Weltkongresses vor drei Jahren war ich dann zum ersten Mal in den Philippinen. Damals habe ich auch die Freunde in ihrer Heimatstadt auf der Insel Cebu besucht. Dieses Jahr ging ich dann zum zweiten Mal, um einige Projekte mit Strassenkindern und ihre pastorale Arbeit in den Randzonen der Grossstadt genauer kennenzulernen.
Ein Land voller junger Menschen
Auf den Bildern von dort fallen die vielen Kinder und junge Menschen auf. Stimmt dieser Eindruck?
Ja, das ist etwas sehr Schönes. In der Kirche und in den sehr ausgedehnten Vororten der Stadt, auch eben in den sozial sehr schwierigen Bezirken sind überall Kinder und Jugendliche zu treffen. In Asien lernte ich noch einmal ganz andere Dimensionen von Zusammenleben kennen. Cebu ist eine Stadt in der mit den dazu gewachsenen Randzonen etwa sechs Millionen Menschen leben. Das entspricht fast der ganzer Bevölkerung der Schweiz und das in einer Stadt. Etwa 34% davon sind 15 Jahre alt und jünger, das Durchschnittsalter liegt etwa bei 26 Jahren.
Die wachsenden Städte stellen eine riesige Herausforderung an die Organisation von Wasser, Energie und die Entsorgung dar. Viele Erwachsene und Kinder sind ohne Urkunden und nicht registriert. Es gibt Familien in sehr schwierigen Verhältnissen, Kinder und Familien auf der Strasse. Man schätzt, dass bis zu 12% der Kinder keine Schule besuchen. Deshalb haben sie später auch Schwierigkeiten, eine Ausbildung zu machen. Es ist sehr beeindruckend und berührend, diese Menschen zu treffen und ihre Lebensfreude zu erfahren. Wenn sie sich treffen, singen und tanzen sie gerne und überall. Und die Kirche ist mittendrin.
“Ein buntes, vielfältiges und junges Leben in der Kirche”
Die Philippinen sind das katholischste Land Asiens. Wie leben die Menschen dort ihren Glauben?
Also frühmorgens, wenn ich im Pfarrhaus wach wurde, das war so gegen 5 Uhr früh und der Hahn auf dem Nachbarsgrundstück hatte tatsächlich gekräht, begannen in der Kirche das erste Morgengebet und die erste Messe. Immer übrigens mitgestaltet von Freiwilligen: Frauen und Männern, Lektoren, Kommunionhelfern. Ob es die Speisung in der Grundschule, das Frühstück für die Obdachlosen oder eine Gebetsnacht von Donnerstag auf Freitag war, alles war von Frauen und Männern, Jugendlichen und Erwachsenen getragen. Immer mit neuer Kirchenmusik und Instrumenten gestaltet. Viele singen ausgesprochen gut und alle sehr gerne. Die Priester haben dabei begleitet und unterstützt.
Den Zahlen nach sind 85% der vielleicht jetzt 104 Millionen Einwohner der Philippinen der katholischen Kirche zugehörig. 10% sind reformierte-evangelische Christen und 5% Muslime. Dies vor allem im Süden, in Mindanao. Es ist ein sehr buntes, vielfältiges und junges Leben in der Kirche. Und dabei ernsthaft und froh zugleich.
Gemeinschaft und Teamwork ist ein wichtiger Teil
Sie haben einen priesterlichen Mitbruder bei seiner Arbeit begleitet. Was waren Ihre Eindrücke?
Ich musste mir erst einmal die Realität vor Augen halten, dass zur Pfarrei 40’000 Menschen gehören. Dass die Pfarrei in 56 Regionen aufgeteilt ist, mit je einer Kapelle und dass die vier Kollegen mit Pater Roger und dem Weihbischof ständig in der Pfarrei unterwegs sind. Es gibt in der Pfarrkirche und in den Kapellen täglich Gottesdienste, manchmal sogar bis zu elf am Tag. Am Wochenende ist stündlich ab Samstagnachmittag und Sonntag tagsüber ein Gottesdienst. Und wenn ich eine kleine Siesta gehalten habe, konnte ich das Singen und Proben einer der vielen Chöre hören.
Im Pfarrhaus herrscht reges Leben. Im Erdgeschoss sind drei Klassen mit Kindergarten und Vorschule. Daneben befindet sich die Backstube, wo das Martinsbrot zum Verteilen an die Bedürftigen gebacken wird. Darüber sind die Gemeinschaftsräume, wo eine Köchin für alle sechs Priester wunderbar kocht. Auch fünf Seminaristen waren vor Ort, die zeitweise zum Einsatz kommen. Über der Küche befinden sich die Zimmer. Je eines für einen Kollegen und mich als Gast.
Wenn keine Eucharistiefeier geplant ist, dann findet draussen in den Barrios, den Armenvierteln, ein Gebet mit dem Treffen in kleinen Gruppen statt. An den Kapellen gibt es je eine Person, welche die kleine Basisgemeinschaft mit Gebet und Austausch leitet und den Gottesdienst feiert. Immer spielen draussen in den Vororten auch die sozialen Verhältnisse eine Rolle. Gerade die Organisation von Lösungen für unterschiedlichste Probleme wie Wohnen, Versorgung von Kranken, und Sorge für die Kinder sind zentral. Einmal im Monat treffen sich alle, die Verantwortung tragen, mit den Priestern. Das Stichwort in der pastoralen Arbeit schlechthin ist Teamwork. Die Aufnahme dort draussen in den Slums, wenn wir zum Besuch und zu Gottesdienst kamen, war so herzlich und umwerfend, dass es sich mir ganz tief eingeprägt hat.
Lernen für das “Miteinander” auch in Küsnacht-Erlenbach
Was bringen Sie von Ihrer Reise mit?
Wunderbare Musik und neue Lieder im Ohr. Ganz einfach viel Freude und ganz viel Ermutigung, dass wir miteinander in Küsnacht-Erlenbach weitergehen. Und vielleicht das eine und andere noch gemeinsam entwickeln können, was uns selbst sowie unserem Miteinander und unserem Kirche-Sein guttut.
Mit Freude und Interesse habe den Newsleter wieder gelesen! Danke! Da meine Freundin eigene Projekte auf den Philippinen,in Mindanao, betreut, habe ich dieses Land vor Jahren auch besucht und vieles sehr ähnlich erlebt wie Karl Wolf. Sehr beeindruckend war die Fröhlichkeit dieser Menschen! Dass die politische Situation momentan noch viel schlechter ist als damals tut mir sehr leid!
Danke auch für die Informationen zur Osterlithurgie von Matthias Westermann. Einiges wird
dadurch verständlicher.