Impuls zum Sommer

Endlich! Von einem Tag auf den anderen: Urlaub

von Diakon Matthias Westermann

Vielleicht kommt ihnen dieses Gefühl bekannt vor. Endlich! Von einem Tag auf den anderen: Urlaub. Endlich dem Alltag entfliehen. Raus aus den üblichen Aufgaben, Beziehungen, Verpflichtungen, aus der gewohnten Umgebung. Noch ein paar letzte Dinge erledigen, packen – und dann in eine andere Welt eintauchen, an einem ruhigen, wunderschönen Ort endlich ausspannen. Und einfach nur genießen! Ja: Wenn das so einfach wäre!

Abrupte Standortwechsel sind überhaupt nicht einfach. Ich kann mich zwar ins Auto, in den Zug oder ins Flugzeug setzen und mich in kürzester Zeit in irgendein fernes Land begeben. Doch das heißt noch lange nicht, dass mir auch der innere Standortwechsel gelingt. Ganz im Gegenteil! Es liegt nicht nur daran, dass sich das ersehnte Urlaubsgefühl einfach nicht auf Kommando einstellen will. Nein, auch alles nicht mehr Erledigte, noch Unverarbeitete der letzten Wochen taucht auf einmal wieder auf und fordert hartnäckig Aufmerksamkeit ein. Und die eigentlich so herrliche Ferienlandschaft gleitet derweil wie ein schöner, ferner Film an einem vorbei. „Es braucht eben Zeit, bis die Seele nachkommt“, trösten wir uns in den ersten Urlaubstagen dann. Und das stimmt ja auch: Es ist ganz menschlich, dass wir all das, worin wir Tag für Tag leben, nicht einfach hinter uns lassen können. Es braucht Zeit, um ein wenig Abstand zu gewinnen und uns selbst zu erlauben, alles Unerledigte im Inneren eine Weile einmal beiseite zu legen. Unsere Seele muss eben nicht nur nachkommen. Sie braucht auch genügend Freiraum für das Neue und Andere, dass uns der Standortwechsel bietet. Nur so kann sie bereit werden, damit wir in vollen Zügen genießen können, was wir hoffentlich in den Ferien erleben dürfen: die warmen Sonnenstrahlen, den weichen Sommerwind, die blütenduftschwere Luft, die sanfte Ruhe des Abendlichts über dem Meer oder über den Bergen.

Das aber lässt sich nicht „machen“. Diese Offenheit kommt ganz von selbst. Und wenn wir ein wenig Geduld mit uns selbst haben, können wir ihr den inneren Boden bereiten. Und wenn sie dann da ist, fühlen wir uns auf einmal wie neu erwacht. Plötzlich nehmen wir alles viel näher, viel lebendiger wahr. Auf einmal klopft das Herz, wenn wir den nächtlichen Sternenhimmel sehen, berührt uns das Rauschen des Gebirgsbaches viel tiefer als zuvor, das leuchtende Mohnfeld, der sonnenwarme Mauerstein … Weil wir eben ganz angekommen sind – in der wunderbaren Schöpfung und zugleich bei uns selbst. Mit geöffneten Sinnen und staunendem Herzen. Doch dafür braucht es ein inneres Umkehren. Nur so nehmen wir mit neuer Klarheit wahr, was im Alltag schnell aus dem Bewusstsein gerät: Dass uns der Schöpfer auf sich hin erschaffen hat, dass wir seinen Atem in uns tragen, so wie alles, was er geschaffen hat. Und dass wir doch eigentlich täglich dankbar erkennen könnten, wie gelungen seine Schöpfung ist.

Vielleicht gelingt es uns, diese neu geschenkte Reise-Erkenntnis mit auf den Weg zurück nach Hause zu nehmen. Wenn uns das Gewohnte dann wieder umfängt, bleibt so das Herz offen für das dankbare Staunen über Gottes wunderbare Schöpfung und sein fürsorgliches Handeln. Wenn dann unsere Aufmerksamkeit wieder den unerledigten Aufgaben und verdrängten Entscheidungen gilt, werden wir diese mit neuen Augen sehen. Unser Blick wird wieder klar und unsere Sinne sind neu geschärft wurden für das, was wirklich wichtig und wesentlich ist.

Ich wünsche Ihnen von Herzen diese Urlaubserfahrung.