Das Coronavirus hat uns in eine ausserordentliche Lage versetzt. Kaum jemand hat eine solche Situation schon einmal erlebt. In dieser Zeit ist es wichtig Hoffnung zu haben. Im Interview erzählt Matthias Westermann, was er mit seinem Team mutig anpackt und teilt seine positiven Gedanken.
Kein Sonntagsgottesdienst aufgrund des Coronavirus – Wie soll das gehen?
Hat Sie die ganze Situation, in der wir uns jetzt befinden, überrascht?
Ja, ich gebe zu, als ich die Nachrichten aus China verfolgt habe, war das für mich noch weit weg. Als Italien plötzlich aufgrund der raschen Verbreitung des Coronavirus im Fokus stand, war mir klar, dass da etwas Unheimliches auch auf die Schweiz zukommt. Mit den ganzen Einschränkungen und den verschärften Hygienevorschriften im gottesdienstlichen Bereich hatte ich schon die Ahnung, dass es dabei nicht bleiben würde. Am Tag, als der Bundesrat den “nationalen Notstand” bis zum 19. April 2020 verkündete, stand ich im Pfarreizentrum mit den Erstkommunionkindern, die ihre Gewänder für den grossen Tag anprobierten. Mein erster Gedanke war, wie soll das gehen, kein Sonntagsgottesdienst, kein Osterfest, vielleicht keine Erstkommunion. Ich war total schockiert.
Ängste und Sorgen begleiten uns
Wie ging es Ihnen in den letzten Tagen? Sind Sie oder Ihre Angehörigen persönlich vom Coronavirus betroffen?
Ehrlich gesagt waren die ersten Tage schrecklich. Ich fühlte mich wie gelähmt. Meinen Kollegen und Kolleginnen ging es wohl ähnlich. Tatsächlich waren Belastungen auch für uns im Mitarbeiterteam persönlich spürbar und es brauchte ein wenig Zeit und innere Energie, um sich selbst und miteinander zu sortieren und neu aufzustellen in diesen Tagen.
Dann haben wir Vieles mutig angepackt. Ganz klar kommen die privaten Sorgen auch immer wieder ins Spiel. Der Gedanke an die eigene Familie. Unsere Tochter arbeitet in einem Betrieb, der nun geschlossen ist. Der Sohn macht die Lehre im Verkauf, immer im Kontakt mit so vielen Menschen. Natürlich machen wir uns als Eltern da Sorgen. Die eigene Mutter kann ich im Moment nicht besuchen. Die Grenze ist zu. Zum Glück sind bis jetzt alle gesund.
Wer hätte das alles vor Wochen für möglich gehalten. Eine menschenleere Stadt, geschlossene Grenzen, eine leere Kirche am Sonntagmorgen. Die Angst um Leib und Leben und die existentielle Angst, die jetzt Viele haben müssen. Manchmal hilft es mir, mich selbst und andere daran zu erinnern, dass die Generationen vor uns viel Schlimmeres überstanden haben. Oder an all jene zu denken, die nicht das Glück haben, in so einem gut organisierten und wohlhabenden Land, wie wir leben zu dürfen.
Das Coronavirus zwingt zu neuen Wegen
Was passiert jetzt, in der Pfarrei, wenn eigentlich nichts mehr möglich ist?
Das ist eine gute Frage. Unsere Pfarrei zeichnet sich ja in guten Zeiten durch ein tragfähiges, soziales Leben aus. Durch gut besuchte Gottesdienste, durch festliche Musik und so viele Gruppierungen, die sich treffen und die sich einsetzen. Und nun ist alles auf Eis gelegt. Alles ist abgesagt, verschoben, abgeschlossen. Wir sind gerade in diesen schwierigen Zeiten zu Solidarität und Gemeinschaft aufgefordert, und dürfen uns aber nicht nahekommen. Das ist ein Widerspruch, der sich nicht lösen lässt. Aber wir haben versucht, so gut es mit unseren Kräften und Möglichkeiten geht, auf altbewährten und auch auf neuen Wegen mit den Gläubigen in Kontakt zu bleiben.
Was heisst das konkret?
Unsere pfarreiliche Webseite informierte von Anfang an, was sich für die Gläubigen in organisatorischer Hinsicht ändert. Aber wir sind dabei nicht stehen geblieben. Wir haben auf dieser Seite verschiedenste Hilfestellungen, auch geistlicher Art gegeben. Im Moment verschicken wir eine Broschüre mit Texten und Informationen, die Mut und Hoffnung machen sollen für diese Zeit. Dazu kommt der persönliche Kontakt per Telefon und Mail. Diejenigen, die Unterricht erteilen, sind im guten Kontakt mit den Schülerinnen und Schülern und schicken Handreichungen nach Hause. Das Gleiche gilt für den Firmkurs. Pfarreiangehörige sorgen sich auch um Menschen am Rand, die gerade jetzt noch mehr aus dem Blick geraten. Sicher, es ist für uns eine ganz neue Situation. Und eine Zeit, in der man auch etwas demütig wird im Blick auf die eigenen Möglichkeiten. Manchmal bleiben eben nur das stellvertretende Gebet und die geistige Verbundenheit.
Kommt der digitale Gottesdienst?
Manche fordern jetzt, das gottesdienstliche Leben digital zu übertragen. Was halten Sie davon?
Natürlich haben wir uns die Frage nach einer Übertragung unserer Gottesdienste gestellt. Wir prüfen im Moment die technischen Möglichkeiten, damit dies auch auf einem akzeptablen Niveau geschehen kann. Wir hoffen, dass dies ab Ostersonntag möglich ist. Momentan laden wir noch ein, von jenen guten Angeboten Gebrauch zu machen, die es schon gibt und die uns mit der Weltkirche verbinden.
Von den 70 Pfarreien unseres Kantons haben bis anhin nur eine Handvoll eine Gottesdienstübertragung eingerichtet. Viele haben es nicht gemacht, und sie haben gute Gründe dafür. Ich sehe das auch so und bin etwas skeptisch. Denn katholischer Gottesdienst ist ja zutiefst analog. Er lebt vom Mitmachen und vom Dabei sein. Er lebt von körperlicher Anwesenheit und vom Gemeinschaftsgefühl, auch von feierlicher Liturgie, gerade auch im Blick auf die Kar- und Ostertage. So etwas ist nicht ohne weiteres digital zu vermitteln, zumal die Generation der Gottesdienstbesucher, die wir bei uns überwiegend vorfinden, nicht wirklich das Internet nutzt. Eine reformierte Kirchgemeinde mag sich damit leichter tun, bestand doch der reformierte Gottesdienst auch schon vor der Corona-Krise überwiegend allein aus dem Predigtwort des Pfarrers. Dazu spielt dann die Orgel mehr oder weniger festlich, auch an den Feiertagen.
Christliche Grundhaltungen sind gefordert
Worin sehen Sie jetzt Ihre Hauptaufgabe als Seelsorger?
Wir dürfen in dieser Zeit nicht selbstgefällig werden. Was da passiert ist, ist keine Strafe Gottes, sondern die Kehrseite der Globalisierung. Nun müssen alle tun, was zu tun ist, um das Virus zu bekämpfen. Und der Rest ist eben Vertrauen. Ich sehe meine Aufgabe darin, Mut zuzusprechen, weil unser Gott die Menschen auch in schweren Zeiten nicht im Stich lässt. Das ist eine ganz starke christliche Grundhaltung. Eine andere christliche Grundhaltung ist die Solidarität, welche die Sorge und Nöte der anderen auch sieht und ernst nimmt und konkret handelt.
Können Sie dieser Zeit, mit all Ihren Beschränkungen, etwas Positives abgewinnen? Könnten wir etwas aus dieser Zeit lernen und in die Zukunft mitnehmen?
Wir nehmen wohl aus dieser Zeit die Erfahrung mit, dass unser Leben nicht so sicher ist, wie wir das immer angenommen haben. Vielleicht schenkt dies einen neuen Blick auf das, was in unserem Leben als Einzelne und als Gemeinschaft auch weltweit wirklich wichtig ist. Ob das für alle gilt, da bin ich leider etwas skeptisch. Wahrscheinlich wird es so sein wie immer in solchen Situationen, wo Menschen an ihre Grenzen kommen: Die einen zeigen ihre schlechtesten Seiten, die anderen sind zu erstaunlicher Empathie und selbstlosem Einsatz fähig.
Vielen Dank für die Beantwortung der Fragen. Wir wünschen gute Gesundheit und weiter positives Denken.
Danke für den Hinweis: „die christliche Grundhaltung ist jetzt gefordert“. Nehmen wir uns alle dies, nicht nur jetzt, zu Herzen.
Ich wünsche allen viel Kraft und Gottvertrauen.
Wer eine tägliche spirituelle Begleitung wünscht, dem empfehle ich die Website der Schweizer Jesuiten (www.jesuiten.ch), Rubrik “Spiritualität”.
In der Karwoche vermittelt deren Video-Reihe “Spiritueller Zwischenhalt – von Palmsonntag bis Ostern” wertvolle Impulse.
Danke für das Interview zum Palmsonntag!
Schade auch, dass die für den Mai geplante Pilgerreise ins Heilige Land (Israel/Palästinensische Gebiete) abgesagt wurde.
Hier ein kleiner Trost aus der Heiligen Stadt, die Palmsonntag Messe vom Dach des Austrian Hospice in Jerusalem:
https://www.facebook.com/1001838998/posts/10219681265514458/?d=n
Eine gesegnete Osterzeit!
Jörg Radzikowski
dirch diese weltweite Kriese,empfinde ich sehr stark wie unser Leben unstabil ist . daran werde ich erinnert, danke für die aufmunternden Worte
Wir alle sind in dieser Zeit auf möglichst viele Hoffnungsimpulse angewiesen. Wir, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Pfarrei, freuen uns, wenn wir dazu einen Beitrag leisten können.