Impuls

 

«Begreift, was ich an euch getan habe»
Jesus und die Wunder

von Matthias Westermann

Immer wieder merken wir mit jeder Faser unserer Existenz, wie sehr wir auf menschliche Begegnung angewiesen sind. Gott sei Dank haben wir alle Begegnungen die uns „beglücken“. Zum Beispiel das Zusammensein mit gleich gesinnten Freunden. Oder wenn wir uns mit Menschen austauschen, die nach gleichen Werten suchen. Dies stärkt unser Vertrauen in die Zukunft. Solche Begegnungen können weit reichende Folgen für unser Leben und das Leben vieler haben. Begegnungen können Heilsgeheimnisse bergen, die sich dem Betroffenen erst nach und nach erschließen. In den Evangelien werden wir Zeugen solcher Begegnungen. Wir staunen immer wieder, was Begegnungen mit Jesus in den Menschen seiner Zeit bewirken. Menschen, die ihm von Angesicht zu Angesicht gegenüberstehen, verlassen die Begegnung verändert. Vor allem die Erzählungen, in denen die Begegnung mit Jesus ein Wunder bewirkt, sind etwas ganz besonders, wirken sie doch wie aus einer anderen Welt. Wir brauchen diese Träume von einer neuen, erneuerten Welt. Wir brauchen die Hoffnungsbilder der Bibel von einem neuen Himmel und einer neuen Erde, ohne Leid, ohne Not, ohne Tod. Aber wenn das alles nur Utopien sind?

Der Philosoph Ernst Bloch hat einmal geschrieben Wunder seien „allemal schon ein neuer Himmel, eine neue Erde im Kleinen“. Deshalb haben die ersten Christen die Wunder von Jesus weitererzählt. Der historische Jesus hat geheilt. Daran besteht kein Zweifel. Er hat Menschen geholfen, wieder gesund zu werden. Mit diesen Zeichen hat Jesus unterstrichen, was er gepredigt hat. Er redet nicht nur vom Reich Gottes unter den Menschen, sondern er zeigt, wie es ist, wenn Gott unter den Menschen lebt: Kranke werden heil, Lahme gehen, Taube hören … Er hat die Zukunft Gottes in die Gegenwart geholt, für einen Augenblick. Und er hat den Pessimisten einen Schub in Richtung Hoffnung gegeben: Die Welt versinkt nicht im Elend. Hinter den schlimmen Erfahrungen, die wir alle machen können, schimmert die neue Welt, blitzt wie in einem kurzen Augenblick die erhoffte neue Welt bei Gott auf. Wundergeschichten sind Heilmittel gegen Erstarrung und Resignation.

Stehen wir nun als Christen in der Welt von heute ein für diesen neuen Himmel, diese neue Erde? Oder haben wir davor zu viel Angst? Eigentlich ist in uns selbst mehr Glaube und Hoffnung, mehr Liebe als wir uns selbst zutrauen. In uns sind mehr Fähigkeiten das Reich Gottes zu bezeugen und Kirche mitzugestalten; mehr Fähigkeiten Frieden zu stiften, Leiden zu lindern, Angst und Unsicherheit zu bannen; über vieles hinwegzukommen, zu verzeihen und als Versöhnte zu leben, als wir uns im ersten Moment zutrauen. Aber wenn wir es tun, dann berühren wir zumindest von Ferne die Hingabe Jesu für die Menschen, schenken Begegnungen, die Leben stiften, geben Anteil an seiner Auferstehung. Und wir setzen damit ein Zeichen, dass Gott das Vertrauen in die Menschen noch nicht verloren hat.