Am Sonntag, 5. September 2021 feierten das Kloster Engelberg und Küsnacht ihre gemeinsame Geschichte. Nachdem im letzten Jahr die Corona-Pandemie eine Festveranstaltung zum 900-jährigen Jubiläum des Klosters Engelberg verunmöglichte, wurde dies mit einem Jahr Verspätung nachgeholt. Ehrengast an diesem Tag war der Abt des Klosters Engelberg, Christian Meyer, der auch dem ökumenischen Festgottesdienst in der Pfarrkirche St. Georg vorstand. Vor diesem Anlass hat er sich uns für ein Interview zur Verfügung gestellt.
Die gemeinsame Geschichte von Engelberg und Küsnacht reicht weit zurück
Lieber Abt Christian, nicht jedem Küsnachter und jeder Küsnachterin ist die Verbindung des Klosters Engelberg mit unserer Gemeinde am Zürichsee vertraut. Können Sie zur gemeinsamen Geschichte kurz etwas sagen?
Nachdem unser Kloster 1432 den Weinberg am Bielersee verkauft hatte, erwarb es 1433 die bischöfliche Quart des Küsnachter Zehnten. Dazu gehörte nebst den Rebbergen auch das Amtshaus, das gegen Ende des 17. Jahrhunderts durch einen barocken Neubau ersetzt wurde. Es entstand zwischen Engelberg und Küsnacht ein regelrechter Handelsverkehr, der insbesondere Wein, Salz, Fleisch, Vieh, Käse und Butter umfasste. 1744 verkaufte unser Kloster die Küsnachter Güter. Noch heute gilt die Zehntentrotte mit ihren spätgotischen Fresken an der Aussenwand als Kulturgut von nationaler Bedeutung.
Es gibt eine ganze Reihe von Festveranstaltungen zum Kloster-Jubiläum. An welchen Orten wird noch gefeiert?
Wegen Corona fiel einiges ins Wasser, vieles wurde verschoben. In diesem Jahr hatten wir die Ausstellungseröffnung in der Bibliothek in Sellenbüren/ZH, von wo unser Stifter kam: Konrad von Sellenbüren. Den ökumenischen Gottesdienst in Stallikon-Sellenbüren mussten wir auf das nächste Jahr verschieben. In Stansstad wurde die Ausstellung über den Maler und Fotografen P. Emanuel Wagner eröffnet: Utopische Blicke in die Zukunft und herrliche Schnappschüsse seiner Zeit. Eine Ausstellung, die man besuchen sollte. Ebenso in Stansstad feierten wir am 22. August einen ökumenischen Gottesdienst. Es sollte noch einen Anlass in Lungern geben und ebenso in Kerns. Doch jetzt kommt zuerst einmal Küsnacht dran.
Die Einheit und Mitbrüderlichkeit stärken
Sie sind als Abt von Engelberg auch mehrere Jahre Präses der Schweizer Benediktinerkongregation gewesen. Was unterscheidet die Schweizer Benediktiner von den anderen Benediktinern weltweit?
Vielleicht muss ich hier sagen, dass weltweit die Benediktiner wie die Schweiz organisiert sind: Wir bestehen aus 19 Kantonen und jedem steht ein Präses vor. Der Präses der Schweizer Kongregation hat vor allem die schwierige Aufgabe, Brückenbauer zu sein und die Gemeinschaften in der Einheit zusammenzuhalten und das mitbrüderliche Miteinander zu stärken. Somit werden in der Schweizer Kongregation die Eigenständigkeit und das föderalistische Element betont, das in anderen Kongregationen nicht so lebt.
Als Abt tragen Sie auch die (Mit-)Verantwortung für die Zukunft des Klosters Engelberg. Nun hat es in den letzten Jahren kaum Klostereintritte gegeben und die Gemeinschaft ist zahlenmässig klein geworden. Wie gehen Sie mit dieser Situation um?
Nun ja, wichtig ist, dass ich mich nicht verwirren lasse und mein Herz sich nicht zu fest beunruhigt. Denn unsere 901-jährige Geschichte zeigt auf, dass es immer ein Rauf und Runter war. Durchschnittlich waren wir zwischen 11 und 25 Mönche. Zweimal waren wir bis auf einen Mönch ausgestorben. Ab 1807 beginnt unsere Gemeinschaft, wie die ganze katholische Kirche, stark zu wachsen, mit dem allgemeinen Höchststand im Jahr 1955 von 126 Mönchen. Wichtig ist nicht die Anzahl der Mönche, sondern das Miteinander aller und das Mittragen durch alle. Dann geht es auch als kleine kraftvolle Gemeinschaft.
In der Zukunft wird es neue Formen geben
Wie wird die Klosterlandschaft der Schweiz in 20 Jahren aussehen? Wagen Sie eine Prognose?
Oh je, das wäre jetzt eine tolle Frage für P. Emmanuel Wagner gewesen, der sehr futuristisch die Zukunft von Stansstad bis Engelberg gezeichnet hat. Herrliche Zukunftsvisionen sah er. Nun ja, sicher ist: Einige Klöster wird es nicht mehr geben, andere kommen wohl ans Limit und andere haben vielleicht eine ganz neue Form gefunden, die wir jetzt noch nicht erahnen. Klöster waren eigentlich immer sehr beweglich. Die, die es nicht waren, gingen unter.
Wenn man die Situation der benediktinischen Klöster weltweit anschaut, gibt es ja ganz unterschiedliche Entwicklungen. Auf der einen Seite Gemeinschaften mit blühendem Leben, andererseits Häuser, die keine Zukunft mehr haben. Wie bewerten Sie das?
Mit dem Weisheitslehrer Kohelet, oder reformiertem Prediger, würde ich sagen: “Nichts neues unter der Sonne.” Das ist der normale Weg. Das zeigt uns die Kirchengeschichte klar auf: Es ist immer ein Kommen und Gehen.
Sie sind bekannt als ein Mann des offenen und kritischen Wortes. Wie sehen Sie die momentane Situation der Kirche in unserem Bistum? Was würden Sie dem neuen Bischof für Ratschläge mitgeben?
Ich glaube, dass Bischof Joseph Maria Bonnemain es schon richtig macht. Er muss sich selbst sein, und das ist er und das überzeugt. Er braucht keine Ratschläge von mir. Denn Ratschläge sind schnell erteilt. Wichtig ist für mich der gegenseitige Austausch. Denn schliesslich sind wir ja alle Arbeiter und Arbeiterinnen im gleichen Weinberg, der den Namen trägt “Weinberg des Herrn”.
Vielen Dank für die Beantwortung unserer Fragen. Wir wünschen Ihnen weiter frohe Feierlichkeiten!