Kommentar von Diakon Matthias Westermann
Die Kirche feiert heute das Pfingstfest. Das neue und besondere an Pfingsten ist nicht der Heilige Geist. Wo immer Gott in und unter Menschen in dieser Welt durch Glauben, Hoffnung und Liebe wirkt, da war und ist Gott selbst als Heiliger Geist am Wirken. Das Besondere an Pfingsten ist, dass die in einem Haus versammelten Jünger Jesu nun nach Draussen gehen. Am Pfingsttag ergreift der Heilige Geist die Jünger. Er erfüllt sie, die vorher so verängstigt und mutlos waren, mit Mut und lässt sie zu den Menschen sprechen. Waren zum Fest in Jerusalem bereits viele Pilger aus vielen Ländern angereist, so ist das erst die Ouvertüre auf das, was kommt: Gottes Geist selbst wird die Apostel zu den Menschen aller Völker senden.
Die Generationen müssen den Glauben weitergeben
In wenigen Jahren schon werden an vielen Orten christliche Gemeinden sein. Aus einer kleinen Sekte wird eine weltweite Bewegung. Aufgebaut durch gläubige Menschen, die miteinander Kirche sind. Der Heilige Geist ist der Beistand dieser Kirche, der sie durch das Auf und Ab der Jahrhunderte begleitet und ihr trotz aller menschliche Schwäche treu bleibt. Dieser Geist ist es, der aus verschlossenen Kammern zu den Menschen führt, die auf ein glaubwürdiges Zeugnis warten. Dieser Geist ist es, der die unerschütterliche Überzeugung schenkt, dass auch die kommenden Generationen den Glauben leben und ihn weitergeben werden.
Wenn wir auf die Kirche im deutschsprachigen Raum und in unserem Land schauen, kommen einem berechtigte Zweifel, ob diese Überzeugung und die Treue zum Wirken des Heiligen Geistes in der Kirche am Verdunsten oder überhaupt noch vorhanden sind. Der Albtraum der Missbrauchskrise und der Streit um die notwendigen Konsequenzen, auch die Frage, wer für all dies die Verantwortung trägt sowie das mediale Dauerfeuer in der Endlosschleife auf all das, was katholisch ist und damit als unzeitgemäss gilt, hat all jenen wieder Oberwasser gegeben, die von einer ganz anderen Kirche träumen und sich lautstark zu Wort melden. Beim momentan laufenden synodalen Prozess, bei dem die Rückmeldequote der Gläubigen nicht nur in unserem Bistum im beschämenden Promillebereich liegt, wird geflissentlich übersehen, dass Papst Franziskus nicht primär die kirchlichen Strukturen und deren Reform im Blick hatte, sondern die Notwendigkeit der Evangelisierung und die Frage, wie Kirche in der Welt von heute missionarisch sein kann.
Reform ja – Reformation nein
Dass Kirche dringenden Reformbedarf in manchen Bereichen hat, ist unbestritten. Aber eine zweite reformierte Kirche braucht kein Mensch. Natürlich muss die Rolle der Frau in der Kirche offen diskutiert werden. In manchen Bereichen der Sexualmoral hat die Kirche unbestritten Schuld auf sich geladen. Wer aber ultimativ die Frauenweihe einfordert, die katholische Morallehre abschaffen will, das Ehesakrament sowieso von vorgestern hält, ausser es wird von Randgruppen eingefordert, der rührt an der Kernidentität der katholischen Kirche und kann ganz sicher nicht den Heiligen Geist für sich in Anspruch nehmen. Zumal all diese Fragen das Potenzial für ein Schisma in sich haben und letztendlich nur von einem Konzil entschieden werden können.
Auch der Blick auf unser eigenes Bistum stimmt wenig hoffnungsvoll. Die Flitterwochen für den neuen Bischof sind offensichtlich vorbei. Beinahe wöchentlich wird ihm in der medialen Öffentlichkeit von den eigenen Leuten und sogenannten “Hoffnungsträgern” präsentiert, wie enttäuscht man von ihm ist, weil er Reformforderungen nicht sofort umsetzt. Einer der Auslöser des Streites ist der neue Verhaltenskodex des Bistums, der voraussichtlich keinen einzigen Missbrauchsfall verhindern, die konkrete Seelsorge aber belasten wird, weil diese nur noch durch die Brille des tatsächlichen oder vermeintlichen Machtmissbrauchs betrachtet wird. Wer dann jedes mahnende Wort eines Bischofs gleich zum “klerikalen Machtmissbrauch” erklärt, gleichzeitig aber selbst zu Machtmitteln greift, um seine Position durchzusetzen, macht sich selbst unglaubwürdig. Natürlich lebt unsere Kirche im Spannungsverhältnis von vorgegebener Institution und charismatischem Aufbruch. Sie ist aber kein Marketingprodukt, welches je nach eigenem Interesse modernisiert oder umgestaltet werden kann.
Auf neue Pfingsten!
Durch bis zur Erschöpfung geführte Strukturdebatten werden wir keinen Menschen für den Glauben und keinen jungen Menschen für den kirchlichen Beruf gewinnen können. Letztendlich sind sie ein Verrat am Heiligen Geist, der eben weht, wo er will. Geisterfüllte Menschen, die Präsenz als Christen zeigen, das ist die eigentliche Visitenkarte, der Reichtum und die Zukunft unserer Kirche. In der Weise, in der das Evangelium Christi für uns Lebensgrundlage ist, können wir es auch für andere interessant werden lassen. Wo dieses Zeugnis des Lebens gegeben wird, da können sich Türen und Herzen öffnen. Da bekommen andere Mut, ebenfalls den Glauben zu erproben und zu leben. Da erhalten Worte auf einmal wieder Glanz. Worte etwa wie Ehrfurcht, Staunen, Mitleid und Fürsorge, um nur einige christliche Grundhaltungen zu nennen. Wie aktuell diese Fragen sind, dafür reicht ein Blick in die aktuelle Lage der Welt.
Es gibt Utopien von Kirche, die schüren nicht Hoffnung, sondern nur Resignation. Es gibt aber berechtigte Erwartungen an unsere Kirche, die dürfen wir nicht enttäuschen. Erwartungen an einen besseren, vertrauensvollen Weg der Hirten und des ganzen Volkes Gottes in die Zukunft. Geschenk des Heiligen Geistes. Und deswegen brauchen wir ein neues Pfingsten!
Matthias Westermann
Sehr geehrter Herr Westermann
eben habe ich Ihre “Pfingstgedanken” gelesen; dass Sie die negativen Schlagzeilen arg belasten, ist verständlich, aber leider warten viele Menschen an der Basis noch immer vergeblich auf eine seriöse Aufarbeitung von Missbrauchsfällen und Diskriminierung auf dem Justizweg. Andere wandern ab … das nimmt zu.
Mit schönen (bischöflichen) Worten ist es eben nicht getan. Taten sollten erfolgen.
Dass auch Sie sich offenbar scheuen, eine Re-Formation auch nur anzudenken, enttäuscht. Dass die DNA der Katholischen Kirche aus Frauendiskriminierung und imperialem Machtgehabe bestehen soll, glaubt schon lange kein vernünftiger Mensch mehr. So sind Sie auf dem Holzweg; mit einem jesuanisch-christlichen Weg hat das nichts zu tun, falls dies noch eine tragende Bedeutung hat für Sie; das ist nur purer Machismo und überholt. Die Menschenrechtscharta ist noch fortschrittlicher …
Bei zunehmend enger Personallage müssten Sie zudem auf gut ausgebildete Theologinnnen setzen und endlich mit der Verteufelung der Frauen in der Liturgie ein Ende setzen. Die christkatholische Kirche hat es Ihnen gezeigt.
Mit freundlichen Grüssen
Katharina Buschor-Huggel
Es sei erlaubt, darauf hinzuweisen, daß die DNA ein genetisch funktionales Makromolekül ist. Die Metapher “DNA der Kirche” und alle Aufzählungen, was angeblich zu dieser DNA gehört und nicht gehört, grenzt oft an ethische Gentechnik. Wenn man der katholischen Kirche eine DNA unterstellt, kann diese m.E. – wenn überhaupt – indisponibel in der (lateinischen) Eucharistie der katholischen Kirche liegen. Man könnte auch den Vergleich mit eime Rückgrat eines aufrecht gehenden Säugers wagen.
Aber die (katholische) Kirche ist keine politische Partei, deren Auf- oder Niedergang grundsätzlich idR nicht des Staatswesen als solches gefährdet. Parteien renovieren ihre Grundsatzprogramme oft genug auf der Grundlage dessen, welche “Herausforderungen der Zeit” zu bewältigen sind, anstatt selber vorausschauend Zeitgeist in ihrem Sinne zu prägen.
Kirche ist etwas auf sprituelle Nachhaltigkeit und nicht auf (oft populistische) Adaptation an “den Zeitgeist” angelegte Sache. Wer daran sägt, schwächt die Zugänglichkeit der den Kirchen aufgetragene Hilfe für Menschen, sich eines individuellen Weges zu Gott unabhängig vom Zeitgeist gewahr sein zu können.
Die Metapher auf der Grundlage “DNA” wird aufgrund des zu oft anzutreffenden niederen Niveaus der naturwissenschaftlichen Allgemeinbildung schon im urspründlichen SInne (Biochemie) nicht verstanden. Umsomehr wird die Verwendung von “DNA” in Metaphern als Beitrag dazu zu sehen sein, daß nicht Gott, sondern die Menschen selbst für eine zweite babylonische Sprachverwirrung sorgen und weiter sorgen werden. Auf diese Weise ergibt sich nach der Sinflut und der weniger drastischen Sprachverwirrung ~600 J. v.Chr.n. einen dritten für die Menschheit durchschlagenden Bruch, dessen Ursache jedoch (noch) durch die Verursacher selbst vermeidbar wäre.
Wenn das Gesagte nicht das Gemeinte ist, stimmen die Worte nicht. Und wenn die Worte nicht stimmen, weiß das Volk nicht, wohin Hände und Füße setzen (Konfuzius, Analects XIII 3). Es ist Aufgabe von Politik, diesem Zustand erkennbar entgegenzuwirken. Es ist erst recht Aufgabe der Kirchen, von ihnen unterstützte Wege zu Gott nicht durch Abwegigkeiten respektive Entgleisungen zu verwässern.
Es ist insoweit unverantwortlich, diese Hilfe nicht auf optimaler Verständlichkeit für die Menschen zu gründen. Die DNA-Metapher hingegen bewirkt so das Gegenteit, weil sie Insider-Eitelkeiten widerspiegelt und auf Menschen, die kirchliche Hilfe begehren, selektiv wirkt.
Bad Homburg am 04.7.23
Tilman Kluge
Sehr geehrte Frau Buschor -Huggel
Ich empfehle Ihnen einen Wechsel zur christkatholischen Kirche, denn da scheint Ihr Bedürfnis abgedeckt zu werden. Ich kann Herrn Westermann nur beipflichten …
Mit freundlichen Grüssen
Patrik Albert
Sehr geehrte Frau Buschor-Huggel
Vielleicht haben Sie Herrn Diakon Westermanns Artikel nicht gründlich gelesen?
Es ist doch ersichtlich , dass die bestehende Problematik innerhalb der Kirche durchaus genauer ins Visier genommen wird.. Auch wird klar der wichtige Unterschied aufgezeigt zwischen ” hin zur Reformation” und den sich im Gang befindenden “Reformbemühungen innerhalb der Kath. Kirche..
Vor allem aber übersehen Sie nach meinem Dafürhalten, dass in Herrn Westermanns Brief nebst den sattsam bekannten Themen vor allem zum spirituellen Aufbruch gemahnt wird. Dieser ist grundlegend , längst wichtiger als das ständige Genörgel betr. Frauenpriestertum und Bekämpfung von jeder Sorte Machtmissbrauch. Vielleicht vergessen Sie die Tatsache, dass in erster Linie nicht der Mensch und seine Fehlhaltungen im Zentrum des kirchlichen Geschehens stehen, sd. Gottes Geist.
Katharina Schmied- Voss
Lieber Herr Westermann, danke für diesen Beitrag. Es ist wichtig,die Augen nicht zu verschließen, vor den schlimmen Vorfällen,die es in der Kirche gegeben hat und gibt . Aber es darf keine Gesamtverurteilung der Institution Kirche geben. Die Kirche besteht aus vielen Menschen durch die Gottes Geist sichtbar ist und wirkt,gerade in diesen Zeiten. Und wir müssen diesen Glauben weitergeben, damit Gott weiter durch uns Menschen wirken kann, dazu ist an Pfingsten der Geist Gottes als Jesu Geschenk und Gabe für die Menschen gekommen,als das was bleibt . Und wer Verantwortung in und für die Kirche übernimmt ,muss mit den Widersprüchen leben, aber das tun wir im Leben doch auch an anderer Stelle und so wie wir Menschen nicht unfehlbar sind, ist es die Kirche auch nicht. Dies soll die Vorkommnisse in keiner Weise entschuldigen,aber wenn wir von Verzeihen und Versöhnung sprechen, sollte man auch im Bezug auf Kirche darüber nachdenken. Und ich wünsche mir dass Spiritualität nicht nur ein Wort ist,sondern spürbar wird. Dies erlebe ich in Ihrer Gemeinde an den wenigen Malen,die ich zu Gast war. Deshalb nochmals danke für diesen wichtigen Beitrag
Vergessen habe ich noch zu erwähnen,dass es auf uns als Christen in dieser Kirche ankommt und darauf,welch Geistes Kind wir sind. Sind wir auch so selbstkritisch mit uns selbst, wie wir es mit der Kirche sind? Oder weht in uns der Geist der Zuversicht und des Vertrauens, dass Veränderung möglich ist und das wir alle daran teilhaben. Herr Westermann hat es an Pfingsten selbst gesagt, das Spannungsfeld gilt es auszuhalten. In diesem Sinne wünsche ich uns den guten Geist des Pfingstfestes
Rosi Kohnke