2018 ist für den Küsnachter Theaterverein „Die Kulisse“ ein aussergewöhnliches Jahr: Im Rahmen von „500 Jahre Reformation“ schrieb die mehrfach ausgezeichnete Autorin Lea Gottheil eigens für die Theatergruppe das Stück „Gebrüder Fleckenstein – Die Geschichte einer Familie aus Küsnacht zur Zeit der Reformation“. Das Theaterstück über eine fiktive Familie spielt in Küsnacht um das Jahr 1519. Das Besondere: Unter den Schauspielenden befinden sich auch der reformierte Pfarrer Andrea Bianca und Diakon Matthias Westermann. Die Aufführung des Theaters findet an zwei Wochenenden im September vor und in der reformierten Kirche Küsnacht statt.
Das Theater in Kürze
Konrad Schmid hat eben die Amtszeit als Komtur* in seinem Heimatort Küsnacht angetreten. Einige Grundsätze der neuen Lehre sind bis in dieses Dorf am Zürichsee gelangt. Der neue Komtur ist ein Freund Zwinglis und vertritt dessen Gedanken der Reformation. Diese verunsichern die Einwohner; Tradition und neues Gedankengut treffen aufeinander. Die Bauern von Küsnacht stellen ihre eigenen, religiösen Traditionen in Frage. Sie bereiten sich auf eine neue Zeit vor. In kurzen, prägnanten Szenen werden Situationen aus der damaligen Zeit dargestellt. Untermalt und umrahmt wird das Spiel von Orgelklängen sowie von Solo- und Chorgesang und Filmeinspielungen.
*Der Komtur (auch Kommentur, Commenthur; lateinisch commendator – Befehlshaber) war eine Amtsbezeichnung der geistlichen Ritterorden. Der Komtur war der Leiter und Verwalter einer Ordensniederlassung, der sogenannten Kommende (auch Kommturei) und damit Statthalter des Gross- bzw. Hochmeisters. Ihm unterstanden die Güter der Kommende. (Quelle Wikipedia)
Neuland für Diakon Westermann
Herr Westermann, Sie werden bald statt einer Predigt für den Gottesdienst einen Theatertext auswendig lernen. Freuen Sie sich auf diese Herausforderung?
Als die Anfrage kam, im Theaterstück mitzuwirken, war ich erst ein wenig erschrocken und habe mir Bedenkzeit erbeten. Ich halte mich nicht für einen grossartigen Schauspieler. Doch als ich mich in die Sache vertieft habe und mich über den historischen Hintergrund informierte, packte mich dann doch das Theaterfieber und ich sagte nach einer kurzen Bedenkzeit für die Rolle zu.
Können Sie auf Theatererfahrung aus Ihrer Kindheit zurückgreifen oder ist dies komplett Neuland für Sie?
Das ist schon Neuland für mich. Ausser etwas Erfahrung aus Schülertheater-Zeiten und kleinen Sketchen an Lagerabenden kann ich gar nichts vorweisen.
Matthias Westermann alias Johann Faber
Worum geht es im Theater und welche Rolle verkörpern Sie?
Als der Küsnachter Theaterverein mich anfragte, ging es zuerst darum, einen wirklich historisch existierenden Gegenspieler für Zwingli und seinen Freund, den Komtur Konrad Schmid, zu finden. Ich habe dafür die Figur des damaligen Konstanzer Generalvikars Johann Faber vorgeschlagen. Er hat die katholische Seite auf der Zürcher Disputation 1523 vertreten. Natürlich hatte er, obwohl er ein hervorragender Theologe war, einen ganz schweren Stand. Im Auftrag des Papstes sollte er die Zürcher Ratsherren, die ja Zwingli schon total für sich eingenommen hatte, zum Verbleib in der römischen Kirche bewegen. Wie das ausging, wissen wir ja.
Wie können Sie sich mit Ihrer Rolle identifizieren? Sie konnten ja auch den Text dazu selber schreiben und die Rolle ein wenig mitgestalten.
Johann Faber war eine wirklich eindrückliche Gestalt. Er hat alles Menschenmögliche getan, um die Kirchenspaltung zu verhindern. Er war kein unnahbarer Kirchenfürst und hatte seine Sache sehr ernst genommen. Im Gegensatz zu vielen Amtsträgern damals, die lieber auf die Jagd gingen. Das erleichterte mir die Identifikation. Die Rolle und den Dialog mit Zwingli durfte ich selbst entwerfen, er ist natürlich etwas theatralisch zugespitzt. Zu meinem Erstaunen fand Pfarrer Andrea Bianca, der Zwingli spielt, sowie das Regisseurinnen-Team den Dialog gut und hat ihn voll und ganz übernommen. Da war ich dann doch ein wenig stolz.
Die langjährige Erfahrung in der Kirche hilft gegen die Nervosität
Im Gottesdienst nehmen Sie bei der Predigt ja auch eine Rolle eines sprechenden Solisten ein und schreiben einen Text dazu. Inwiefern unterscheiden sich diese beiden „Rollen“ oder gibt es gar Parallelen?
Es gibt ja immer wieder Theaterleute und Schauspieler, die ihre ersten Einsätze vor Publikum in der katholischen Liturgie als Ministranten getan haben und diese Zeit als durchaus prägend bezeichnen. Aber vor der Gottesdienstgemeinde möchte ich natürlich keine Rolle spielen. Und die Predigt ist ja eine Kombination von theologischer Reflexion und Selbstmitteilung, und keine schauspielernde Fassade. Sicher, die Vorgaben der Liturgie helfen ganz gut, die Nervosität, die ein Theologe vor allem am Anfang hat, zu überwinden. Von daher ist das sicher vergleichbar mit der Anspannung eines Schauspielers, der auf die Bühne tritt und Menschen für sich einnehmen möchte.
Sie werden aber langfristig nicht den kirchlichen Dienst gegen den Schauspielberuf eintauschen, oder?
Es gibt zwar spätberufene Theologen, die erst im vorgerückten Alter in den kirchlichen Dienst eintreten. Aber von spätberufenen Schauspielern habe ich noch nie etwas gehört. Von daher mache ich mir keine Gedanken, mich in dieser Hinsicht neu orientieren zu müssen oder zu wollen. Zumal ich gerne bin, was ich bin.
Dieses Theaterstück muss ich sicher sehen!!! Viel Glück!
Ich freue mich auf viele Zuschauer und Zuschauerinnen. Die erste Probe war schon sehr interessant! Aufführungen sind am Samstag, 08. September 2018 um 19:30 Uhr, Sonntag, 09. September 2018 um 17:00 Uhr, Samstag, 15. September 2018 um 19:30 Uhr, Sonntag, 16. September 2018 um 17:00 Uhr. Vor den Aufführungen findet immer auch ein mittelalterlicher Markt statt.