Treueversprechen in die Hand des Bischofs

Matthias Westermann: 25 Jahre im Dienst der Katholischen Kirche im Kanton Zürich Geschrieben am

Diakon und Pfarreibeauftragter Matthias Westermann steht seit Anfang Juni genau 25 Jahre im Dienst der Katholischen Kirche im Kanton Zürich, 16 Jahre davon in der Pfarrei Küsnacht-Erlenbach. Wir haben ihm zum Anlass seines Jubiläums ein paar Fragen gestellt:

Von damals bis heute

Erst einmal herzlichen Glückwunsch zum Dienstjubiläum. 25 Jahre, das ist eine ganz schön lange Zeit. Worauf blicken Sie zurück?

Weiheliturgie in der Zürcher Liebfrauenkirche
Weiheliturgie in der Zürcher Liebfrauenkirche

Vielen Dank für die Glückwünsche! Ja, ich staune erst einmal, dass die Zeit so schnell vergangen ist. Selber meint man ja immer, man sei noch jung. Aber tatsächlich bin ich kein junger Mann mehr und merke es auch. Manchmal stimmt mich das melancholisch.  Kürzlich schaute ich Bilder aus den ersten Jahren in Zürich und in Küsnacht an. Dabei  stellte ich betroffen fest, wie viele der Personen auf diesen Bildern gar nicht mehr leben. Auch gute Wegbegleiter aus den Jugendjahren, die mich entscheidend für meine Berufswahl prägten und mir lange Zeit Vorbild waren, sind nicht mehr da. Aber gute Erinnerungen und gute Erfahrungen und viele glückliche Zeiten überwiegen das Schwierige, was es natürlich auch gegeben hat. Dafür bin ich sehr dankbar.

Nicht nur im privaten Bereich hat sich vieles verändert. Haben diese Veränderungen auch ihre beruflichen Ansichten beeinflusst?

Ja natürlich. Als ich in 1995 in die Schweiz kam, war ich gerade 30 Jahre alt und Single. Ich musste mich als Pastoralassistent in einer Zürcher Grossstadtpfarrei zurechtfinden, in der es damals alles andere als einfach war. Zum Glück brachte ich mit dem Studium und den Erfahrungen, die ich schon hatte, ein gutes Rüstzeug mit. Dazu gehörte auch viel Neugier auf die pastorale Praxis und die Menschen, die mir dort begegneten. Dann lernte ich meine Frau kennen und ich gründete mit ihr eine Familie. Den Rückhalt, den ich dadurch erleben durfte, aber natürlich auch die Verantwortung, nun für Frau und Kinder sorgen zu müssen, haben mich ganz sicher erst zum Erwachsenen gemacht. Dafür bin ich heute unendlich dankbar.

Auch dafür, dass meine Frau all die zeitlichen Belastungen und alles Engagement so geduldig mitgetragen hat. Und durch die Familie wurde ich auch immer wieder auf den Boden geholt, wenn ich allzu fromm daher redete oder zu ideale Vorstellungen im Blick auf die religiöse Erziehung hatte. Und natürlich durfte ich erleben, dass mir vieles im pastoralen Dienst Freude machte, es immer wieder auch positive Rückmeldungen gab und ich mich offensichtlich mit der Wahl meines beruflichen Weges nicht getäuscht hatte.

Eine kurze Überlegung vor der Zusage zum Dienst

2003 wurden Sie zum Ständigen Diakon geweiht. Wie kam es dazu?

Bischof Amédée Grab weiht Matthias Westermann zum Diakon Diakonweihe
Bischof Amédée Grab weiht Matthias Westermann zum Diakon

Ich habe mein Studium im bayrischen Benediktbeuern an einer grossen Ordenshochschule absolviert. Dort gab es auch eine grosse Zahl Ständiger Diakone, die aus allen Bistümern Bayerns kamen und eine Art Pastoraljahr absolvierten. Mir fiel damals auf positive Weise auf, dass diese Diakone eben nicht junge Priesteramtskandidaten oder junge Ordensstudenten waren, sondern von ihrem Alter her und der Art ihres Auftretens „Männer mitten im Leben“. Sie besassen sicherlich sehr unterschiedliche akademische und sonstige Qualifikationen, und sie waren auch, wie in Deutschland üblich, mehrheitlich Diakone im Nebenamt, also ohne volles Theologiestudium. Aber sie erschienen mir doch als Männer mit einer geistlichen Ausstrahlung und einer menschlichen wie fachlichen Kompetenz. Mich selbst hat dies sehr beeindruckt und blieb mir in sehr guter Erinnerung, auch wenn es zu jener Zeit für mich noch keine Option für den eigenen beruflichen Weg war.

Als ich in Zürich dann nach dem Weggang des Pfarrers die Gemeindeleitung übernahm, fragte mich der damalige Weihbischof Peter Henrici an, ob das Amt des Ständigen Diakons nicht etwas für mich wäre. Nach kurzer Überlegung habe ich zugesagt.

Haben Sie die Zusage jemals bereut?

Matthias Westermann und Karl Wolf Pfarrei Küsnacht Erlenbach
Die „Doppelspitze“ der Pfarrei

Das habe ich nie bereut. Ganz im Gegenteil. Es hat sich auch in mir etwas grundlegend gewandelt hat nach der Weihe zum Diakon, das muss ich ehrlich zugeben. Mein persönliches Engagement, meine Verbundenheit zur Sache Jesu Christi, meine Solidarität zur konkreten Kirche wurde anders und grösser. Die Diakonenweihe, die in der Zürcher Liebfrauenkirche stattfand und ein wunderbares Fest war, und die damit verbundene Eingliederung in die kirchliche Amtsstruktur, gab für mich die notwendige Klarheit. Konkret gesagt: Ich wusste nun, wohin ich gehöre, in welchem Auftrag ich arbeite und dies mit viel neuer Motivation. Bischof Amédée Grab, der die Zeit der Vorbereitung auf sehr menschliche Weise begleitete und mich zum Diakon weihte, ist mir bis heute in sehr guter Erinnerung. Diejenigen, die mit mir zum Diakon geweiht wurden, sind mir und meiner Frau immer noch gute Freunde. Wir treffen uns mehrmals im Jahr.

Der Dienst hat sich verändert

Mit Blick zurück in die Vergangenheit: Was war vor 25 Jahren besser als heute und welche Entwicklungen begrüssen Sie?

Es hat sich schon viel geändert in den letzten Jahrzehnten. Viel Vertrautheit und Selbstverständlichkeit im Glaubensleben ist in unseren Breitengraden einfach verschwunden. Ich selbst habe ja als Jugendlicher und junger Erwachsener noch eine kirchliche Jugendarbeit erlebt, die in den Gemeinden und Klöstern stark präsent war. All dies war auch geprägt von jungen Vikaren und Priestern, die begeistern konnten. Somit war für mich auch die Tatsache, einen kirchlichen Beruf zu ergreifen, nichts Skurriles oder Merkwürdiges, sondern eine logische Folge vieler positiver Erfahrungen. Früher haben wir allerdings über die Umbruchzeiten nur geredet. Nun erleben wir sie in den Pfarreien hautnah. Patentrezepte in diesen Zeiten gibt es nicht. Manchmal hilft da einfach Gottvertrauen und persönlicher Einsatz, so gut es eben geht. Auch das Wissen natürlich, dass Kirche vielerorts auf der Welt sehr lebendig ist. Und dass der Heilige Geist weht wo er will und sich nicht vereinnahmen lässt.

Und im dualen Schweizer Kirchensystem finden Sie sich zurecht?

Diakon Westermann spendet das Taufsakrament
Diakon Westermann spendet das Taufsakrament

Mir ist immer wichtig daran zu erinnern, dass unsere kirchliche Organisation hier im Kanton kein Glaubensgut ist. Kirche ist weltweit ganz anders und unterschiedlich organisiert und trotzdem lebendig. Aber natürlich schätze ich die vielen Möglichkeiten, die das duale Kirchensystem bietet. Und es funktioniert ja meistens auch sehr gut. Nämlich dann, wenn alle Beteiligten das tun, was vorgesehen ist und wofür er oder sie beauftragt ist, und nicht jeder den anderen eifersüchtig belauert oder seine Agenda diktiert. Und es ist wichtig, dass alle Verantwortungsträger, alle Mitarbeitenden und auch die Freiwilligen, sich der gemeinsamen Sache bewusst sind. Und dass die handelnden Personen, alle diejenigen, die vorne stehen und manchmal auch unangenehme Entscheidungen treffen müssen, das Vertrauen geniessen. Zum Glück ist dies in Küsnacht so, und das seit vielen Jahren.

Veränderungen brauchen ihre Zeit

Manche ihrer Kolleginnen und Kollegen fordern Reformen ein, ich sage einmal das Stichwort „Frauen im Priesteramt“. Wie stehen Sie dazu?

Ministrantenaufnahme Matthias Westermann mit Ministrant
Ministrantenaufnahme

Ich bin froh, dass ich solche Fragen nicht entscheiden muss. Ich verstehe auch, dass Frauen sich zurückgesetzt fühlen. Allerdings warne ich davor, die Zukunft unserer Kirche allein mit solchen Reformforderungen bei der Ämterfrage zu verbinden und dann enttäuscht zu sein, wenn die Kirche nicht mit einer Jahrtausende alten Lehre brechen will. Es gibt kein Menschenrecht auf die Priesterweihe und es ist immer noch die Kirche, die die Kriterien für Berufung festlegt.

Papst Johannes Paul II. hat die Forderung nach einer Zulassung der Frauen zu den kirchlichen Ämtern mit hoher lehramtlicher Autorität ausgeschlossen, indem er sich auf die Praxis und den Willen Jesu beruft und damit die endgültige Unmöglichkeit einer Veränderung der kirchlichen Praxis betont. Das bedeutet, dass kein Papst einfach diese Entscheidung ignorieren kann. Es bedarf meines Erachtens eines Konzils der Weltkirche, um überhaupt neu an diese Frage heranzugehen.

Papst Franziskus hat übrigens ebenfalls davon gesprochen, dass diese Tür geschlossen sei. Die kirchliche Lehre kann uns als Katholiken auch in unserem Land nicht egal sein. Und ich bin überzeugt, dass der Heilige Geist unsere Kirche die letzten 2000 Jahre sicher nicht in eine völlig falsche Richtung geführt hat. Alle Reformanliegen, auch wenn sie noch so lautstark und selbstbewusst formuliert werden, müssen sich ehrlich prüfen lassen, ob ihre Erfüllung nicht die Identität der Katholischen Kirche zerstören, statt sie zukunftsfähig zu machen. Das Zentrum der Kirche ist übrigens nicht das Amt, es ist die Taufe und der Glaube. Und wenn es uns nicht gelingt, in den Herzen neu die Sehnsucht nach dem Glauben zu erwecken, sind sowieso alle Bemühungen und Reformen umsonst.

Hoffnungen und Wünsche

Und wie sieht es mit der Zukunft des Zölibats, der Verpflichtung zur Ehelosigkeit der Priester, aus?

Noch ein Jubiläum: 20 Jahre verheiratet

Der Zölibat ist keine Sache des Glaubens, sondern eine Sache des kirchlichen Rechts, das ohne grosse Schwierigkeiten verändert werden könnte. Im Blick auf die Zukunft dieser Lebensweise aber bin ich überzeugt, dass ein glaubwürdig gelebter Zölibat, der Verzicht auf Familie und Partnerschaft, weiterhin ein starkes geistliches Zeugnis ist. Menschen, die ihre Existenz ganz auf Christus setzen, Ordensfrauen, Ordensmänner, Priester, faszinieren doch bis heute. Ich glaube, in der Praxis wäre inzwischen ein gutes Miteinander von verheirateten und zölibatären Priestern durchaus vorstellbar und von den Gemeinden absolut akzeptiert. Ich bin gespannt, ob der Papst, und mit ihm die Mehrheit der Bischöfe, irgendwann einmal diesen mutigen Schritt gehen. Vielleicht helfen dabei ja die Erfahrungen mit den Ständigen Diakonen.

Was erhoffen Sie sich von den nächsten 25 Jahren? Was sind Ihre Wünsche und wovon träumen Sie?

So vermessen bin ich nicht, mir in diesen grossen Zeiträumen etwas zu wünschen oder zu träumen. Ausserordentlich dankbar bin ich, hier in dieser Pfarrei mit Mitarbeitenden, die ja zum Teil schon länger hier sind wie ich, das Pfarreileben an verantwortlicher Stelle schon viele Jahre gestalten zu dürfen. Ich könnte ja auch gar nichts bewirken, ohne das freundschaftliche Zusammenwirken mit Pfarradministrator Karl Wolf und mit den Kolleginnen und Kollegen, die sich alle mit ihrer ganzen Kraft einsetzen.

Ich wünsche mir natürlich, dass dies noch einige Jahre so sein wird. Auch das gute Miteinander im Blick auf die Gremien und die Freiwilligen. Das Schlimmste für die Zukunft der Kirche sind Polarisierungen und Grabenkämpfe, egal auf welcher Ebene. Das ist mein Wunsch für die Zukunft, dass wir dies absolut vermeiden. Das heisst nicht, dass man deswegen immer einer Meinung sein muss.

Ansonsten wünsche ich für meine Familie Gesundheit, Glück und Gottes Segen, so wie es alle guten Ehemänner und Familienväter tun. Und das natürlich für mindestens 25 Jahre.

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